Nils Frommhold: „Ein Tag kann alles verändern!“

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Nils Frommhold über dunkle Täler, sein weiß glänzendes Comeback beim Ironman Südafrika 2017, die bereits fix gemachte Kona-Quali sowie den magischen Moment, in dem sich vermeintliche Grenzen verschieben. Wie der Top-Athlet tickt, wofür er brennt und warum man nie vergessen darf, woher man kommt: der 2-fache Ironman-Champion und Gewinner der legendären Challenge Roth im Zurheide-Interview. Swim, bike, run!

Zurheide: Sie haben in Ihrer Karriere schon vielen Zukunftsängsten und Verletzungen die Stirn geboten, ohne sich davon unterkriegen zu lassen. Auch jetzt steigen Sie wieder unversehrt wie ein Phönix aus der Asche. Die Juni-Ausgabe der Zeitschrift Triathlon erkennt darin ein Muster: Hat das sportliche Auf und Ab bei Ihnen fast schon Methode?

Frommhold: Man muss alles einmal mitgenommen haben. Nur so lernt man die komplette Bandbreite kennen und tritt in Kontakt mit der eigenen Stärke. Natürlich gab es Tiefpunkte wie 2011 eine Knieverletzung. Die war so ernst, dass ich buchstäblich überlegt hatte, ein zweites Standbein aufzubauen. Auch 2013 und 2016 konnte ich mehrere Monate lang nicht trainieren. Jetzt bin ich wieder ganz gut aufgestellt: Profisport ist eben oftmals ein Ritt auf der Rasierklinge.

Zurheide: Es hat ganz klar wieder Klick gemacht: Sie laufen erneut an der Spitze hochkarätiger Rennen. Beim Ironman Südafrika haben Sie gemeinsam mit Ben Hoffmann das Rennen gerockt. Alles ist wieder im Lot. Schwebt man da auf einer Wolke?

Frommhold: Manche Dinge weiß man erst richtig zu schätzen, wenn sie einem zeitweise genommen werden sollen. In solchen Jetzt-erst-recht-Momenten steigt die Leidenschaft für den Sport. Die zweite Chance und der damit verbundene Erfolg erfüllt einen dann natürlich besonders mit Dankbarkeit.

Zurheide: Die Karten für Kona sind neu gemischt, Ihr Startplatz bereits gesichert. Versetzt Sie das in Angriffslaune?

Frommhold: Hawaii ist mein Hauptziel. Bis dahin versucht man die Qualifikationen in den Teildisziplinen möglichst schnell abzuhaken, ohne zu viel Energie zu verlieren. Denn ich möchte erfolgreich an meine Platzierung anknüpfen können. 2014 wurde ich ja schon einmal Sechster. Das Podest ist damit ein erreichbares Ziel. Die Krone von Kona hängt dann schon etwas höher …

Zurheide: … und von vielen Faktoren ab: Zum Beispiel, wie gut die Gegner performen. Auf welche deutschen Top-Athleten werden Sie treffen und wen fürchten sie besonders?

Frommhold: Frodeno gilt es natürlich erst mal zu schlagen, speziell, wenn man ganz oben auf dem Treppchen stehen möchte. Aber auch für Jan wird das diesmal kein Selbstläufer: Die Deutschen haben ein Luxusproblem, fast alle Top-Leute sind deutsch, auch jetzt wieder, beim Schlagabtausch in Hawaii.

Zurheide: Baut sich da Rivalität auf oder ist das ein Miteinander?

Frommhold: Beides. Denn auch wenn man am Ende gemeinsam feiert: Während des Wettkampfes möchte man sich distanzieren.

Zurheide: Als Triathlet absolviert man ein mörderisches Trainingspensum, Urlaub gibt es praktisch nicht. Ist man da nicht manchmal im Krieg mit dem eigenen Körper und betreibt Raubbau an seinen Reserven?

Frommhold: Man bewegt sich am Limit, das ist klar. Manchmal gilt es die Schraube gezielt zu überdrehen, ohne an Lockerheit zu verlieren. Du trainierst bis zu 24 Stunden am Stück 365 Tage im Jahr. Nur nach der Ironman-Challenge darf man schon mal drei bis vier Wochen die Beine hochlegen, auch, um wieder Kraft für den nächsten Fight zu tanken.

Zurheide: Wie gelangt man schnell wieder in Topform?

Frommhold: Da verfolge ich keine spezielle Diät wie Paleo oder Ähnliches. Ich ernähre mich einfach ausgewogen, trinke aber auch schon mal ein Bier. Nicht einmal Cola würde ich per se verteufeln. Sie kann ein toller Leistungs-Booster sein. Zucker in flüssiger Form stellt ja während des Rennens sofort Energie bereit. Auch hochwertige Proteine sind wichtige Bausteine: Wiegt man wie ich 75 Kilo, braucht der Körper 1,2 g Eiweiß pro Kilo täglich.

Zurheide: Manche Sportler periodisieren Koffein, indem Sie die Zufuhr in der Tapering-Phase herunterfahren und sich den Koffein-Shot dann gezielt während des Rennens verabreichen. Wie halten Sie es mit dem Bohnentrank?

Frommhold: Es fällt mir schwer, den Konsum herunterzufahren, dafür trinke ich einfach zu gern Kaffee: bevorzugt morgens auf nüchternen Magen, bevor mein Training beginnt.

Zurheide: Des Triathleten liebstes Kind ist das Material. Was ist aus Ihrer Sicht die stärkste Innovation im Radsport?

Frommhold: Material ist ein starker Support und Aerodynamik dabei ein großes Thema: die Power des Athleten umgerechnet auf sein Rad. Deshalb arbeite ich mit dem Koblenzer Radhersteller Canyonzusammen. Man ist Versuchskaninchen, wird aber zugleich auch positiv getuned: Ein Tag im Windkanal gleicht vom sportlichen Benefit her fast einem Trainingstag.

Zurheide: In Roth verschenkten Sie unwissentlich Ihre Bestzeit, weil Sie kurz vor dem Ziel stehenblieben, um Ihren Trainer zu umarmen. Ist Solidarität neben Power und Performance typisch für Nils Frommhold, getreu Ihrem Motto Clearly Nils?

Nils Frommhold: Mein damaliger Trainer und ich, wir sind zusammen aus so manchem tiefen Tal gegangen, haben neben Siegen auch Rückschläge eingesteckt. Die Umarmung war ein emotionaler Moment. Sie hatte aber auch eine Botschaft: „Ich hab das hier nicht allein gemacht, sondern mit starken Partnern wie Niclas und anderen, die mir den Rücken freihalten.“ Dieser Teamgeist ist mir wichtig: Darum mach ich das!

INTERVIEW: CLAUDIA ROOSEN