Game of Thrones-Star Tom Wlaschiha – »Ein Mann hat (k)einen Namen!«

In der HBO-Serie Game of Thrones offenbart er sich als vielgesichtiger Gott Jaqen H’ghar, der jede Identität annehmen kann – im Zurheide-Interview als nicht minder facettenreicher Schauspieler und Grenzgänger zwischen den Welten: Tom Wlaschiha über Drehstress, irre Fantheorien, Leak-Alarm vor dem Finale und seinen handlungstragenden Part beim Spiel um die Macht in Westeros.

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Zurheide: Ein Selfmade-Video verhalf Ihnen zu der Rolle als Auftragskiller in der Kult-Serie Game of Thrones, deren achte und letzte Staffel mit Spannung erwartet wird. Mit 26 Emmys, sprich TV-Oscars, gilt sie als die erfolgreichste Fernsehserie des Globus: So beiläufig gelangt man also zu Weltruhm … ;-)

Wlaschiha: Das Procedere war tatsächlich ziemlich unspektakulär: Die Serie wird ja größtenteils in Irland gedreht, deshalb wurden viele Schauspieler dort gecastet. Meine Londoner Agentur schlug mich also vor und ich reichte ein Video-Selfie ein. Wie groß das Format werden würde, war mir damals glücklicher Weise noch nicht bewusst: Sonst wäre ich bestimmt nicht so locker rübergekommen.

Genau diese Lässigkeit führte Sie offenbar zum Erfolg: Der Produzent lud Sie alsbald zu einem Kennenlern-Gespräch nach Belfast ein. Nur die Perücken-Probe soll etwas aufwändiger gewesen sein …

Mein Charakter trägt ja mehrfarbiges Langhaar. Dafür bin ich dreimal nach London geflogen. Dann saß das Ding aber, nicht einmal Feuer und Drachenglas konnten sie vernichten! ;-)

Der Rest ist Filmgeschichte: Seit der zweiten Staffel verunsichern Sie Die Länder der Nacht als dämonischer Rachegott Jaqen H’ghar. Auch in dem Road-Movie Berlin Falling (2017) verfolgen Sie perfide Pläne: als Anhalter, der eine Bombe im Gepäck hat. Liegen Ihnen solche diabolischen Helden?

Ist doch praktisch, wenn man wie Jaqen H´ghar Gesicht und Gestalt wechseln kann und dazu noch unsterblich ist, oder? Scherz beiseite: An solchen Rollen reizt mich die Ambivalenz: dass z. B. ein Auftragskiller zugleich auch Sympathieträger oder Lehrmeister ist – und die Fans ihre Fantasien in ihn hineinprojizieren können. Denn das Mysterium bleibt erhalten.

Zumal Ihr Serien-Charakter von sich selbst stets anonym, in der dritten Person, spricht und dabei ständig neue Pseudonyme annimmt! Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet: Mussten Sie Ihr Englisch auffrischen?

Ein Hauch von Exotik war für den Gestaltwandler ohnehin angedacht, trotzdem erfolgte ein Dialekt-Coaching am Set. Passend zum mittelalterlichen Setting sollte nämlich eine Art elisabethanisches Englisch à la Shakespeare gesprochen werden. Sprachunterricht hatte ich übrigens schon recht früh in meiner Laufbahn genommen, damit man mir als deutschem Schauspieler nicht nur die typischen Uniform-Rollen anbot. Uniformität kann der Spannung ja mitunter abträglich sein, ein Grund mehr, warum ich meinen Part in Games of Thrones selbst synchronisiere: Es klingt authentischer.

Wie war das Zusammenspiel mit Ihrer Filmpartnerin Maisie Williams, die Ihren wehrhaften Zögling Arya verkörpert?

Maisie spielt brillant – natürlich und differenziert, obwohl uns stets an die vierzig, fünfzig Personen zusahen, und das ohne jemals eine Schauspielschule besucht zu haben oder vorherige Spielpraxis! Ihr Serien-Ich, die 12-jährige "Arya", wird ja in seiner Rolle erwachsen und reift zu einem neuen Bewusstsein heran. Bei so viel Talent ist in unseren gemeinsamen Szenen der Synergieeffekt vorprogrammiert.

Apropos künstlerische Entfaltung: Sie wuchsen in der Nähe von Dresden auf und absolvierten gleich nach dem Abitur – von 1992 bis 1996 – ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig …

Mein Onkel zählte zu den bekanntesten Opernsängern der DDR und hat mich musikalisch inspiriert. Deshalb sah ich mich anfangs mehr als Pianist auf einer Konzertbühne stehen. Doch ziemlich früh, mit 16, zog ich Theater und Film vor. Es folgten erste Serienrollen in "Die Rettungsflieger" und "Küchenwache" …

… und dann, 2012, der Gamechanger, Ihr künstlerischer Blick über den großen Teich …

Obwohl es eine HBO-Produktion ist, wurde Game of Thrones ja bisher nicht in Amerika gedreht, sondern an archaischen Orten mit Gänsehaut-Garantie: der eisige Teil von Westeros zum Beispiel in dem vergletscherten Vatnajökull-Nationalpark.

Schroffe Schauplätze, welcher fasziniert Sie am meisten?

Gern würde ich auch einmal in Irland drehen, dazu müsste meine Figur jedoch die Seiten wechseln und sich nördlich der Mauern unter die Weißen Wanderer mischen. Um die Schlachten rund um den Fantasie-Kontingent Westeros glaubhaft abzubilden, operieren ja immer vier bis fünf Units gleichzeitig: an verschiedenen Sets in Belfast, Nordirland, Spanien oder Kroatien.

Das Spektakuläre soll neben den Drehorten auch die Perfektion in der Ausstattung jedes einzelnen Sets sein …

Das kann ich bestätigen: Die Locations werden wirklich gebaut, wie in der fünften Staffel das House of Black and White, in dem Arya Stark von Jaqen (meinem Charakter) ausgebildet wird. Weil es sich um eine Fantasy-Serie handelt, war ich anfangs eher von Green Screens und anderen Spezial-Effekten ausgegangen. Weit gefehlt!

Wurde denn nicht auch mit Computer-Simulationen gearbeitet?

Natürlich gab es den einen oder anderen Green Screen. Aber die riesigen Hallen waren real: Es fühlte sich an, als stände man in einer echten Kathedrale. Dermaßen detailgenau waren die monumentalen Kulissen nachgebildet, dass die Kamera in den entlegensten Winkel schwenken konnte ohne die Illusion zu zerstören.

In den Online-Foren kursieren irre Fangeschichten: So soll der Gesichtslose beauftragt worden sein, ein Oberhaupt der Familie Stark zu befreien und in dessen Identität zu schlüpfen …

Solche bizarren Verschwörungstheorien werden natürlich vielfach verbreitet und manche bewahrheiten sich später auch. Fakt ist: Die Staffel hat ihr Quellmaterial, die Bücher von George R. R. Martin, längst eingeholt. Nur die Produzenten wissen, wo die Reise hingeht. Die Untoten-Armee ist auf dem Vormarsch, so viel ist sicher.

Die Starks, Lennisters und Targaryens sind jeweils durch die Hölle gegangen, Daenerys drei Drachen angeschlagen, zudem die letzten ihrer Art. Nun ist der Winter da, der Nachtkönig erobert immer mehr Terrain: Wird Ihr Alter Ego Jaqen H’ghar da zum talentierten  Thronanwärter?

Ganz klar mein Favorit! ;-) Ernsthaft: Meine Theorie – wohlgemerkt bisher durch nichts belegt! – lautet: Der eiserne Thron ist ein Symbol für Unterdrückung, vielleicht siegt ja die Demokratie. Konsequent könnte dann dieses Monstrum torpediert oder gesprengt werden. In meinen Augen ist er eine Metapher für Machtmissbrauch.

War da eben ein verräterisches Funkeln in Ihren Augen?

Wie gesagt, nur eine persönliche Vermutung, die jedoch nicht einer gewissen Logik entbehrt: Die Thronbesteigung erwies sich jedes Mal als Pyrrhussieg. Jeder, der ihn eroberte, machte es nicht mehr lang, genau wie seine Vorgänger. Mitten im Siegesrausch auf dem Höhepunkt des Hochmutes lauert stets das rächende Schicksal.

Schlägt da in den Fan-Foren etwa gerade Spoiler-Alarm? ;-)

Was ausschlägt, ist allenfalls ein kleiner Elektroschocker implantiert von HBO, jedes Mal, wenn jemand von der Crew spoilert. (lacht) Auf Verrat steht zumindest ein grausamer Serientod, auch die Fans würde mich lynchen. Da raune ich doch lieber orakelhaft à la Jaqen H´agar: "Ein Mann sieht, ein Mann weiß!" ;-)

Kamera, Licht, Action!

Tom Wlaschiha stößt demnächst in der Sky-Serie "Das Boot" zur Crew. Mit an Bord: Vincent Kartheiser ("Mad Men"), James D'Arcy ("MARVEL's Agent Carter") & Thierry Frémont ("Juste un regard"). Die Handlung setzt ein Jahr nach den Ereignissen in Wolfgang Petersens Film "Das Boot" im Herbst des Jahres 1942 ein und ist auch sonst inspiriert von dem gleichnamigen Meisterwerk (1981) nach dem Bestseller von Lothar-Günther Buchheim. Die ca. 26,5-Millionen-Euro-Produktion wird Ende 2018 bei Sky in Deutschland, Österreich, Italien, Großbritannien & Irland ausgestrahlt.

Zurheide shared a Moment with Tom Wlaschiha – realized by Topas International Group/Monika Kistemann & Dr. C. Roosen (Textkonzept/Interview)

 
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Bildnachweis

Foto: Porsche Design

StarsClaudia Roosen