Wenn die Chefin nach den Sternen greift

Sterneköchin Iris Bettinger im Gespräch

zurheide-feine-kost-sternekoechin-bettinger.jpg

Iris Bettinger hat sich mit Leidenschaft, Perfektion und Kreativität ihren Platz unter Deutschlands Spitzenköchen gesichert. Die sympathische Sterneköchin, Spitzenköchin der Jeunes Restaurateurs und Lavazza Botschafterin kreiert speziell für das Zurheide Gourmet Festival, das 2017 unter dem Motto „Zurheide goes High Heels“ steht, ein Kaffee-Dessert. Im Interview spricht die Ausnahmeköchin über Frauen in der Küche, italienisches Lebensgefühl und den perfekten Espresso.

Frau Bettinger, das Motto des diesjährigen Zurheide Gourmet Festivals lautet „Zuheide goes High Heels“. Hat Sie dieser Schwerpunkt gefreut?

Ja, das hat mich sehr gefreut. Mein erster Gedanke war: Dann treffe ich alle meine netten Kolleginnen wieder, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Ich hatte immer schon mal vom Zurheide Gourmet Festival gehört. Nun passt das Motto perfekt und ich freue mich, dabei zu sein. High Heels werde ich wohl nicht tragen können. Wenn man eintausend Desserts wie bei dieser Veranstaltung serviert, dann braucht man auf jeden Fall bequeme Arbeitsschuhe. Privat oder bei einer Gala-Veranstaltung darf bei mir der Absatz aber durchaus mal etwas höher sein.

Unter den Sterneköchen in Deutschland finden sich vergleichsweise wenige Frauen. Woran liegt das?

Viele Frauen stehen irgendwann vor der Entscheidung, ob sie sich vorrangig um den Beruf oder um die Familie kümmern wollen. Sie fragen sich, ob sie als Küchenchef alles unter einen Hut bekommen können. Viele entscheiden sich dann für eine Position in der zweiten Reihe. Wer als Küchenchef eine Auszeit nimmt, muss hart kämpfen, um auf diesem Level wieder einzusteigen. Es gibt viele tolle Köchinnen, doch die meisten streben nicht an die Spitze. Manchen jungen Frauen fehlt vielleicht auch das Selbstbewusstsein oder der Mut, den Schritt in diese Männerdomäne zu wagen.

Welche besonderen Eigenschaften sind nötig, um sich als Sterneköchin in einem männlich geprägten Umfeld zu behaupten?

Man braucht auf jeden Fall ein dickes Fell. Grundsätzlich kann man zwei unterschiedliche Wege gehen. Man setzt auf die mädchenhafte Tour und versucht zu gefallen. Dann wird man hofiert und es herrscht eine nette Atmosphäre, doch am Ende wird man nicht richtig ernst genommen. Im anderen Fall lässt man sich nicht auf dieses Spiel ein, man agiert eher wie ein Mann. Dann muss man sich den Respekt erarbeiten. Für mich war das recht einfach. Ich bin nicht der Typ Girlie und stehe in unserer Familie schon in der vierten Generation als Frau in der Küche. Während meiner Ausbildung habe ich jedoch auch die volle Wucht der Männerdominanz gespürt. In der heutigen Generation spielt das Geschlecht allerdings nicht mehr eine so große Rolle wie früher. Schon ich hatte es bedeutend leichter, mich zu behaupten als zum Beispiel meine Mutter.

Wie haben Sie es geschafft, sich durchzusetzen?

Ich bin meinen eigenen Weg gegangen und habe mir eine gewisse Unabhängigkeit geschaffen. Ich habe mich nicht gefragt, wie das ein Mann wohl machen würde, sondern ich habe meinen eigenen Stil gesucht und gefunden. Ich habe auch nie versucht, zu gefallen oder einer bestimmten Rolle zu entsprechen. Auch habe ich mir nie Sonderrechte herausgenommen. Der beste Weg ist es, durch seine Arbeit zu überzeugen. Wenn man eine charmante Art mitbringt, kann das natürlich auch nicht schaden.

Agieren Frauen in der Küche anders als Männer?

Ein weiblicher Führungsstil ist vielleicht etwas einfühlsamer. Eine Frau fährt eher die Antennen aus und spürt die Stimmung in der Küche. Ich habe cholerische männliche Küchenchefs erlebt, die versucht haben, sich durch Geschrei Gehör zu verschaffen. Bei Frauen habe ich so etwas nie beobachtet. Es bringt auch nichts.

Was schätzen Sie an Ihren männlichen Kollegen, was an Ihren weiblichen?

Die Unterschiede sehe ich eher im privaten Bereich. Wenn ich Kolleginnen treffe, können wir uns über bestimmte Themen unterhalten, die Frauen interessieren. Während die Männer über Fußball oder Autos debattieren, reden wir vielleicht über unser neues Parfüm oder schicke Schuhe, um einmal bei dem Motto „High Heels“ zu bleiben. Es gibt natürlich auch vieles, was man mit Frauen und Männern gleich gut bereden kann, zum Beispiel Themen aus der Gastronomie.

Unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrer Art zu kochen? Setzen Sie unterschiedliche Schwerpunkte?

Nein, eigentlich unterscheiden Sie sich nicht, zumindest heute nicht mehr. Früher war das vielleicht etwas anderes. Meine Mutter hat zum Beispiel nicht so gerne Kutteln verarbeitet. Sie fand das irgendwie unästhetisch. Männer sind da manchmal etwas unerschrockener und brachialer.

Unterscheiden Frauen und Männer sich auch in der Art des Essens und Genießens? Anders gefragt: Wenn Sie ein Menü nur für Frauen kreieren sollten, würde das anders aussehen als eines nur für Männer?

Bei Frauen würde ich zunächst einmal auf das Alter schauen. Jüngeren würde ich vielleicht Sashimi servieren. Bei älteren Damen würde ich auf einen Klassiker setzen, also zum Beispiel eine Bouillabaisse. Frauen achten häufig darauf, dass nach dem Essen das Kleid noch passt, sie mögen es leichter und weniger deftig. Da würde ich eher Fisch oder helles Fleisch auftischen. Eine reine Männerrunde könnte ein Stück Fleisch, eventuell Wild, bekommen, vielleicht am Tisch aufgeschnitten. Man fällt dabei tatsächlich schnell in gängige Klischees, aber diese Dinge halten sich hartnäckig.

Gibt es ein Netzwerk oder einen besonderen Austausch unter den weiblichen Spitzenköchen?

Ein offizielles Netzwerk gibt es nicht. Wir treffen uns aber zu verschiedenen Gelegenheiten immer wieder. Mit manchen telefoniere ich auch zwischendurch. Weil es kein regelmäßiges Treffen gibt, freue ich mich besonders, die Kolleginnen auf dem Zurheide Gourmet Festival zu sehen. Sie sind das einzige weibliche Mitglied der Vereinigung junger Spitzenköche, der „Jeunes Restaurateurs“.

Fühlen Sie sich in diesem Umfeld manchmal wie eine Exotin?

Am Anfang habe ich mich tatsächlich wie eine Exotin gefühlt, doch das hat sich schnell gelegt. Ich habe keine Hemmungen in einer Männerrunde, ich kenne das aus dem Betrieb. Von den Jeunes Restaurateurs bin ich sehr herzlich aufgenommen worden und ich spüre eine hohe Akzeptanz. Die Stimmung ist sehr nett und ich werde immer mal wieder von Kollegen zum gemeinsamen Kochen eingeladen.

Zum Thema Kaffee: Was verbinden Sie persönlich mit Italien und italienischer Kaffeekultur?

Ich habe eine sehr enge Bindung zu Italien. Schon als Kind bin ich mit meinen Eltern regelmäßig ins Tessin an den Luganer See gefahren, da wir dort ein Ferienhaus hatten. Dort habe ich schon früh das italienische Lebensgefühl aufgesogen. Zum Essen ging es häufig in ein Grotto und zum Abschluss jedes Essens gab es natürlich einen Espresso. Ich kannte beide Seiten: den Filterkaffee meiner Uroma, serviert in riesigen Pötten, und den duftenden Espresso in den winzigen Tassen. Das hat mich als Kind sehr fasziniert. Mit Italien verbinde ich vor allem schönstes Sommerwetter, gutes Essen, das Flanieren am Abend am See und den Cappuccino oder Espresso zu jeder Gelegenheit. Dolce Vita – dieser Begriff trifft es tatsächlich.

Warum haben Sie sich für Lavazza als Kaffeepartner entschieden?

Mein Kaffeepartner sollte auf jeden Fall aus Italien kommen. Das hat sicher etwas mit meinen Kindheitserinnerungen zu tun, aber auch mit dem speziellen Lebensgefühl, das ein Espresso verkörpert. Lavazza ist in Italien der Kaffeeröster Nr. 1 und blickt auf eine lange Familientradition zurück, so dass die Entscheidung einfach war. An Lavazza schätze ich die Leidenschaft für das Produkt, die verlässlich hohe Qualität und die Professionalität in der Zusammenarbeit.

Welchen Stellenwert hat der perfekte Espresso in der gehobenen Gastronomie als Abschluss eines Menüs?

Der Espresso hat einen sehr hohen Stellenwert. Heute sind viele Gäste Kaffeeexperten, sie kennen sich mit Sorten, Röstungen und Herkunftsgebieten aus. Hinsichtlich des Kaffees gab es einen kompletten Wandel. Kaffee ist nicht mehr automatisch gut, der Gast erkennt Feinheiten und beurteilt den Kaffee im Detail. Mich trifft es persönlich, wenn ein Gast sagt, dass der Kaffee nicht schmeckt. Dann fange ich gleich an zu überlegen, ob mit dem Druck oder der Brühtemperatur an der Siebträgermaschine etwas nicht stimmt.

Welche Bedeutung haben Kaffee und Espresso für Sie persönlich?

Das Geschmackserlebnis variiert je nach Gemütsverfassung. Einen Kaffee oder einen Espresso zu trinken, ist wie ein Ritual. Wenn ich ihn gegen 18 Uhr vor dem Abendservice genieße, dann soll er mich in Schwung bringen. Nach dem Service ist er dagegen ein leckerer Absacker. Im privaten Bereich ist er natürlich vor allem der perfekte Abschluss nach dem Essen und er dient der Geselligkeit, wenn man sich zum Kaffeetrinken verabredet. Ein Espresso ist ein Gesamterlebnis. Geschmacklich empfinde ich ihn als intensiv, ausgewogen, mit leichter Säure und fruchtigen Aromen. Ein guter Espresso ist wie ein Stück gute Schokolade.

Wie und wo trinken Sie am liebsten Ihren Kaffee?

Ich trinke vor allem Espresso. Zwischendurch auch einmal einen Cappuccino und morgens gerne auch Filterkaffee. Der Filterkaffee erlebt ja zurzeit eine Renaissance. Vor allem zum Frühstück ist er nicht wegzudenken.

Für das Zurheide Gourmet Festival haben Sie ein spezielles Dessert mit Lavazza Kaffee kreiert. Woraus besteht es?

Es ist eine Art Birne Helene mit einem Kaffee-Schokoladen-Gewürzsud. Dazu gibt es süße Kürbispolenta und Rahmeis mit Zwetschgen. Wir servieren rund eintausend Portionen, das ist in der Tat eine Herausforderung – und mit High Heels nicht zu schaffen!